Seit letztem Donnerstag ist die Welt nicht mehr so, wie sie war. Wir Erwachsenen haben das inzwischen sehr deutlich gespürt und jede*r von uns hat seine eigene Art und Weise damit umzugehen. Wir informieren uns über Nachrichten und Soziale Medien, wir sprechen miteinander, gehen zu Demonstrationen für den Frieden oder zum Friedensgebet in unsere Kirchen.
Aber: Was ist mit den Kindern? Eltern, Großeltern und andere, die mit Kindern zu tun haben, wissen: Kinder haben besonders feine Antennen. Sie spüren, dass etwas in der Luft ist. Auch wenn wir es vielleicht gerne hätten: Wir können dieses Thema nicht von unseren Kindern fernhalten. Eine Kollegin von mir hat sich viele Gedanken darüber gemacht, wie man mit Kindern über den Krieg reden kann – und da ich diesen Text so treffend und hilfreich finde, möchte ich diesen gerne auf diesem Weg teilen.
Übrigens: Als Pfarrerin bin ich als Religionslehrerin derzeit in der 3. und 4. Klasse unserer Grundschule und auch regelmäßig in der Kita in Ulrichstein. Auch dort werden wir sicherlich in der kommenden Zeit auf die ein oder andere Art und Weise auf dieses Thema zu sprechen kommen. Gerade bei solch schwierigen Themen ist es mir wichtig, den Kindern und Jugendlichen immer wieder zu sagen, dass sie mit mir reden können, wenn sie etwas bedrückt. Und dieses Angebot gilt auch für Eltern, Großeltern und alle anderen.
Ihre und eure Pfarrerin Antje Armstroff
Krieg in der Ukraine – wie können wir mit Kindern darüber sprechen?
Und welche Rituale stärken Kinder jetzt?
Kinder bekommen mit, was gerade geschieht – auf ganz unterschiedlichen Kanälen, natürlich je nach Alter mehr oder weniger detailliiert. Sie spüren auch, dass wir selbst als Erwachsene gerade voller Sorgen die Nachrichten verfolgen. Wie gehen wir damit um, wenn Kinder uns fragen „Was ist da jetzt los?“
Einfach und ehrlich antworten
Je nach Alter, stellen Kinder unterschiedliche Fragen. Kleine Kinder wollen vielleicht wissen, was ein Krieg ist. Ältere fragen, warum das jetzt passiert. Wer da gegen wen kämpft. Ob das bald wieder aufhört. Ob der Krieg auch zu uns kommt.
Wichtig ist es, bei diesen Fragen genau hinzuhören. Kinder sind wissbegierig. Informationen, die wir geben, sollten klar, verständlich und passend zum Alter der Kinder sein. Auf manchen Fragen können wir mit solchen klaren Informationen (altersgerecht formuliert) antworten. Ich persönlich finde hier die Kindernachrichten Logo auf dem KIKA wirklich gut. Von der Sprache und den Erklärungen dort kann ich mir immer wieder etwas abschauen.
Auf manche Fragen haben wir selbst keine Antwort. Dürfen wir das Kindern gegenüber zugeben? Ich meine Ja. Ich kann sagen: „Das muss ich nachgucken, ich weiß es auch nicht.“ (wenn es um Sachfragen geht.). Ich kann auch sagen: „Das beschäftigt mich auch, was du fragst. Das ist eine große/ schwere Frage.“ Fragen haben ja oft eine doppelte Dimension: eine sachliche und eine emotionale. Gerade wenn Kinder nach dem Krieg fragen, geht es nicht nur um Sachinformationen. Freilich können schon klare Informationen helfen gegen diffuse Ängste. Aber vor allem sollten wir auch aufmerksam sein für die emotionale Botschaft, die in und hinter der Frage
eines Kindes steckt.
Darf ich als Erwachsene/r meine eigene Angst zeigen?
Wenn ein Kind mich direkt fragt: „Hast du Angst jetzt?“ Würde ich sagen. „Ja, ich mache mir große Sorgen. Ich hoffe sehr, dass dieser schlimme Krieg bald aufhört. Es ist gut, dass viele Länder, (hier bei uns in Europa, aber auch sonst in der Welt, z.B. die USA und Japan und Australien) jetzt zusammenhalten. Alle diese Länder wollen den Krieg nicht und versuchen ihn zu stoppen.“
Ich verleugne also nicht meine Angst. Aber ich lasse der Angst nicht das letzte Wort.
Dass wir Angst haben, gehört zu unserem Leben dazu. Kinder dürfen mitbekommen: Auch Erwachsene haben Angst. Es hilft wenn wir darüber reden.
Es ist aber als Erwachsene meine Aufgabe, Kindern, die mir anvertraut sind, Rückhalt zu geben, sie zu stärken, ihr Vertrauen ins Leben zu hüten und nicht zu untergraben. Daher trage ich meine eigene Angst nicht an Kinder heran. Um mit ihr umzugehen, brauche ich erwachsene Gesprächspartnerinnen.
Muss man nicht Kinder schützen vor dieser furchtbaren Realität?
Wenn ein Kindergarten- oder Krippenkind von dem, was gerade passiert, nichts mitbekommt, dann werde ich es auch nicht damit konfrontieren. Aber auch Drei- oder Vierjährige bekommen mit, dass Erwachsene oder andere Kinder über „Krieg“ reden und wollen wissen: „Was ist da jetzt los?“ Wenn wir sie schützen wollen mit Sätzen wie „Das ist ganz weit weg. Da brauchst du keine Angst davor zu haben.“ Oder gar „Das verstehst du noch nicht“, helfen wir ihnen nicht weiter. Denn Kinder spüren unsere eigene Sorge und auch die Sorge „die in der Luft liegt“. Sie spüren „Das stimmt doch nicht“. Solche vielleicht gut gemeinten Antworten schaffen keinen
Schutz, sondern Verunsicherung und können letztlich Vertrauen untergraben.
Kinder nicht mit Informationen überfordern – kindgerechte Informationen suchen
Als Erwachsener habe ich vielleicht gerade das Bedürfnis, viel Radio zu hören, mich regelmäßig über eine Nachrichten-App zu informieren, über Sendungen im Fernsehen oder Online-Kanäle. Im Blick auf diese Informationskanäle sollte ich überlegen: Was davon bekommt mein Kind mit und welche Bilder und Nachrichten kann es verarbeiten? Die Psychologin Elisabeth Raffauf, Autorin des Buches „Über Terror und Gewalt mit Kita-Kindern sprechen“ bezieht hier eine klare Position: Grundschulkinder seien noch zu jung für die Erwachsenen-Nachrichten und auch Teenies und jüngere Jugendliche sollten nicht alleine vor den Fernsehbildern sitzen, sondern nur mit einem Erwachsenen gemeinsam, der danach als Gesprächspartner da sein kann. Je nach Alter der Kinder können wir zusammen auch die Kindernachrichten im KIKA anschauen. Hier werden Zusammenhänge und Hintergründe gut erklärt. Wenn die Kinder dazu Fragen haben oder reden
wollen, lässt sich daran anknüpfen.
Worauf kann ich im Gespräch mit Kindern besonders achten?
Kinder spüren selbst ganz gut, was sie wissen wollen. Daran kann ich andocken und brauche nicht zu Erklärungen auszuholen, die vielleicht richtig sind, die das Kind aber gerade gar nicht einfordert und braucht. Außerdem hilft es, zu wissen: Kinder können in Themen „reinspringen“ und unvermittelt wieder „rausspringen“. Gerade haben wir noch über den Krieg geredet, dann ist plötzlich etwas ganz anderes dran: Die Katze, die gestreichelt werden will. Das Spielen mit der großen Schwester. Das ist gut so, es ist ein Schutz. In der Trauerarbeit mit Kindern ist das oft beobachtet worden.
Wie können wir Feindbildern entgegen wirken?
Es ist wichtig im Gespräch ganz klar die Regierung eines Landes und die Menschen, die in diesem Land leben oder aus diesem Land kommen, auseinanderzuhalten. Sätze wie „Die Russen sind schuld“ sind fatal. Ich kann erklären: „In Russland ist ein Präsident an der Macht, der diesen Krieg angefangen hat und will. Er will sein Land größer machen. In Russland gibt es viele Menschen, die diesen Krieg nicht wollen.“ Älteren Kindern würde ich z.B. von Wladimir Kaminer erzählen, und sagen: „Es gibt einen bekannten Schriftsteller, der kommt aus Russland und lebt seit vielen Jahren in Deutschland. Er hat gesagt, dass er diesen Krieg ganz falsch und schlimm findet. Die allermeisten Menschen wollen keinen Krieg, egal in welchem Land sie leben. Sie
wollen, dass Frieden ist und sie keine Angst haben müssen.“
Was kann Kinder jetzt stärken?
In Zeiten, in denen wir uns Sorgen machen, kann es helfen ein Licht anzuzünden.
Wir können in der Familie eine Kerze aussuchen, die unsere Friedenskerze sein soll. Mit Wachsstiften oder
-platten kann die Kerze verziert werden. Was soll darauf zu sehen sein? Menschen, die sich an der Hand halten? Eine Taube als Friedenszeichen? Das Wort Friede in verschiedenen Sprachen (welche kennen wir?)
Wir zünden die Kerze an – wir schauen ins Licht – wir denken an die Menschen in der Ukraine –
wir beten:
Du, unser Gott,
wir denken an die Menschen, bei denen Krieg ist.
Wir denken an die Menschen in der Ukraine.
wir bitten dich für die Kinder dort und ihre Eltern,
für Alte und Junge
für alle, die jetzt Angst haben.
Wir bitten dich für die vielen Menschen,
die jetzt aus ihrem Land fliehen.
Sie alle brauchen Hilfe.
Du, unser Gott,
Du willst, dass Frieden ist
Schenk uns deine Friedenskraft. Amen.
Den Frieden stärken – den Opfern des Krieges helfen
Angst und Unsicherheit geben uns schnell ein Gefühl der Ohnmacht. Für Kinder wie Erwachsene ist es wichtig, dass sie sich dieser Ohnmacht nicht ausgeliefert fühlen. Ältere Kinder fragen
vielleicht: Kann man den Leuten in der Ukraine irgendwie helfen? Sie sehen Bilder von Familien
aus der Ukraine, die auf der Flucht sind.
Caritas International und die Diakonie Katastrophenhilfe sind in der Ukraine und in den Nachbarländern im Einsatz.
https://www.diakonie-katastrophenhilfe.de/spende/ukraine
https://www.caritas-international.de/hilfeweltweit/europa/ukraine/inlandsvertriebene
Wer kann, hilft mit einer Spende.
Wir können von Friedensgebeten erzählen, die jetzt stattfinden. Wir können erzählen, dass an
vielen Orten der Welt Menschen gegen den Krieg demonstrieren. Kinder ab der 4. Klasse würde
ich fragen, ob sie mitkommen wollen, wenn ich zu solch einer Friedenskundgebung gehe. Als
Kind hat meine Großmutter mich in ein Friedensgebet in die Kirche mitgenommen in Zeiten des
Terrors durch die RAF. Ich habe diesen Gottesdienst nie vergessen.
Susanne Haeßler, Pfarrerin für Kindergottesdienst der ELKB, Referentin im Amt für Gemeindedienst,
25.02.2022
Vielen Dank für die Erlaubnis, diesen Text hier zu teilen!
Zu finden ist dieser Text als pdf auch beim Landesverband für Evangelische Kindergottesdienstarbeit in Bayern, www.kirche-mit-kindern.de